P.C. Ramsl: latènezeitliche Gräberfeld von Mannersdorf am Leithagebirge

Cover
Titel
Das latènezeitliche Gräberfeld von Mannersdorf am Leithagebirge, Flur Reinthal Süd, Niederösterreich.


Autor(en)
Ramsl, Peter C.
Reihe
Mitteilungen der Prähistorischen Kommission 74
Erschienen
Wien 2011: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Anzahl Seiten
669 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Peter Jud

Nach der Publikation des Gräberfeldes von Pottenbrunn (2002) legt Peter Ramsl eine weitere Monographie zu einer latènezeitlichen Nekropole vor, jener von Mannersdorf am Leithagebirge. Das von Pottenbrunn etwa 100 km entfernte Gräberfeld wurde schon im Rahmen des damaligen Forschungsprojektes zur Latènezeit im Traisental als mögliche Vergleichnekropole ins Visier genommen.

In Mannersdorf wurden die ersten latènezeitlichen Gräber bereits zwischen 1905 und 1912 gefunden, aber offenbar gehören diese Bestattungen nicht zum nun publizierten Gräberfeld, das 1976–1984 vom Museum Mannersdorf (Heribert Schutzbier und Friedrich Opferkuh) und dem Bundesdenkmalamt (Gustav Melzer) ausgegraben wurde. In der Flur Reinthal wurden gegen 100 Bestattungen der Früh- und Mittellatènezeit geborgen. Mit Ausnahme von einigen randlichen Gräbern, die sich vielleicht noch unter einem Feldweg verbergen, ist die Nekropole vollständig untersucht.

Der Autor wurde erst 2001, also fast 20 Jahre nach Grabungsende, von J. W. Neugebauer (Bundesdenkmalamt) mit der Auswertung und Publikation der Fundstelle betraut. Nach dem tragischen Tod von Neugebauer fand Ramsl die Unterstützung der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die auch die Publikation des 2007 abgeschlossenen Manuskriptes besorgte. Dem Autor fiel zunächst die Aufgabe zu, den Verbleib der Grabungsdokumentation und der Funde ausfindig zu machen und zusammen zu tragen. Auch wenn ein Teil der Objekte und der Fotos bei Redaktionsschluss immer noch verschollen war, darf der Dokumentationsstand doch als zufriedenstellend bezeichnet werden: die Zusammensetzung der Grabinventare und die Lage der Objekte in den Gräbern scheinen ebenso wie die Informationen zur Grabarchitektur weitgehend gesichert zu sein.

Das erste Hauptkapitel ist der Beschreibung der Befunde gewidmet. In 94 Strukturen wurden insgesamt 96 Körper- und 2 Brandbestattungen der Früh- und Mittellatènezeit geborgen; es liegen also vier Gräber mit Doppelbestattungen vor. Ein Teil der Gräber ist mit den 21 rechteckigen oder runden Umhegungen eingefasst, die zuweilen zu komplexen Gebilden zusammengewachsen sind. Da diese Strukturen nicht nur die zeitliche Abfolge der Gräber, sondern ohne Zweifel auch die sozialen Beziehungen zwischen den Bestatteten widerspiegeln, bilden sie eine wichtige zusätzliche Informationsquelle.

Der Katalog umfasst mehr als 70 Seiten und enthält eine sorgfältige Beschreibung der Befunde sowie der Funde und ihrer Lage im Grab. Die Bestattungen sind im Allgemeinen sehr gut mit Schmuck und Keramik ausgestattet, beigabenlose Gräber sind ausgesprochen selten. Der Katalog enthält zudem die anthropologischen Daten in eher knapper Form, die einer bereits 1990 vorgelegten Dissertation von Sylvia Renhart entnommen sind.

Das Kapitel zur Typologie der Trachtbestandteile, Geräte, Waffen, Keramik und der Verzierungen umfasst nicht weniger als 93 Seiten. Die detaillierte Beschreibung der Fundobjekte und ihre typologische Ansprache werden durch ungezählte Hinweise auf Vergleichsfunde aus anderen Nekropolen ergänzt. Untersuchungen zur Tragweise des Ringschmucks und Verbreitungskarten zu einzelnen Typen vorvollständigen die Materialvorlage.

Der Auswertungsteil von 50 Seiten Umfang wird durch die Datierungen der einzelnen Gräber eröffnet. Der Autor gliedert die Bestattungen in 11 chronologische Phasen, die jeweils durch einzelne ausgewählte Gräber charakterisiert werden. Die räumliche Entwicklung der Nekropole wird in einer Serie von farbig ausgestalteten Plänen sehr anschaulich dargelegt. Eine weitere Analyse ist der Geschlechts- und Altersverteilung sowie dem Sterbealter der Toten gewidmet.

Ein erster Ansatz zu einer Untersuchung der gesellschaftlichen Stellung der bestatteten Individuen stützt sich auf eine Bewertung des Grabbaus und der Ausstattung mit Schmuck und Beigaben. Hier ist anzumerken, dass den Fundobjekten in den Gräbern ohne Zweifel auch ein symbolischer Wert zukam, der sich allerdings kaum abschätzen lässt.

Der Auswertungsteil bleibt zwar umfangmässig hinter der Datenvorlage weit zurück; er lässt gleichwohl das wissenschaftliche Potential des Mannersdorfer Gräberfeldes klar hervortreten.

Die Vielfalt der Zusammenfassungen in Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch zeugt erneut von der weiten, europäischen Perspektive des Autors, welche der überregionalen Bedeutung des Gräberfeldes von Mannersdorf gerecht wird.

Auf die sorgfältig zusammengestellte Bibliografie folgen die 234 ansprechend gestalteten Fundtafeln. Ein umfangreicher Annex von 160 Seiten enthält naturwissenschaftliche Untersuchungen zu den Metallfunden, der Keramik, den Steinartefakten und Tierknochen.

Die vorliegende Publikation bildet eine wichtige Materialvorlage, die wenig Wünsche offenlässt, obwohl es dem Leser nicht immer leicht gemacht wird, in der Fülle der oft sehr detaillierten Informationen das ihn interessierende Element zu finden. Aus verschiedenen Bemerkungen in den einleitenden Kapiteln lässt sich erahnen, dass das Werk unter schwierigen Umständen entstanden ist. Die vom Autor ausdrücklich vorgeschlagenen weiterführenden Forschungen, welche die Gräberarchäologie aus den traditionellen Bereichen der Typologie und Chronologie in die Gefilde der sozialen Archäologie führen sollen, werden sich nicht automatisch einstellen. Die archäologischen Institutionen sind gefordert, um der europäischen Latèneforschung zu ermöglichen, aus der von Peter Ramsl erarbeiteten Materialvorlage den grösstmöglichen Nutzen zu ziehen.

Zitierweise:
Peter Jud: Rezension zu: Peter C. Ramsl, Das latènezeitliche Gräberfeld von Mannersdorf am Leithagebirge, Flur Reinthal Süd, Niederösterreich. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission Band 74. Wien 2011. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 95, 2012, S. 232- 233.

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Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 95, 2012, S. 232- 233.

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